Abschied
I.)
„Du
weißt, was zu tun ist.“
Efirnja nickte stumm. Der Hauptmann hatte seine Anweisungen klar
formuliert. Und wie immer würde sie dafür sorgen, dass ihnen
Folge geleistet wurde. Aber ihr Nicken konnte der Hauptmann schon gar
nicht mehr sehen, denn er hatte sich schon umgedreht und war dabei, den
Raum zu verlassen. So konnte er auch die Nachdenklichkeit in ihrer
Miene nicht bemerken.
Für einen Augenblick spürte Efirnja eine Woge der Wut. Wie
immer. Arnulf Freiherr von Schiller war stets der große
Räuberhauptmann, wenn es etwas zu gewinnen gab, aber er verschwand
bemerkenswert schnell von der Bildfläche, wenn es darum ging,
Scherben aufzukehren. Solche Aufgaben blieben dann an ihr hängen.
Efirnja bemerkte, dass sie die Hände zu Fäusten geballt
hatte. Nun entspannte sie die Hände, schloss die Augen und atmete
tief durch. Die Woge der Wut glättete sich. Egal, wie sie der
Sache gegenüberstand, es war immer die Ruhe gewesen, die ihr in
schwierigen Situationen weitergeholfen hatte. Sie zwang sich zu einer
sachlicheren Betrachtung und fragte sich, warum ihr das Ganze
überhaupt so nahe ging. Eigentlich war es ja Xavers Problem, und
nicht ihres. Der Junge bekam, was er verdiente, und würde sich
eben einen anderen Lebensweg suchen müssen.
Oder?
Efirnja ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Es war das
düstere Hinterzimmer einer schmierigen Taverne in einem kleinen
Ort namens Hargasrode. Immer, wenn die Räuber sich in Hargasrode
aufhielten, saßen sie abends in diesem Zimmer und gaben sich dem
Bier, dem Gesang und dem Glücksspiel hin. Der Wirt war früher
einmal Mitglied der Gruppe gewesen; von ihm hatten sie nichts zu
befürchten. In diesem Zimmer hatte sie auch Xaver kennen gelernt.
Es war schon etliche Jahre her. Der Junge hatte damals kaum den ersten
Flaum im Gesicht, als er eines Abends auftauchte. Er hatte sich
unbemerkt am Wirt vorbei geschlichen und ersuchte den Hauptmann um
Aufnahme in die Gruppe. Sein Vater sei kürzlich gestorben und
seine Mutter mit der Führung des Hofes und ihren drei Kindern
überfordert, und er wolle nun als Räuber für deren
Auskommen sorgen. Sie alle hatten damals herzlich gelacht und den
Jungen mit dem wohlgemeinten Rat, es erst einmal als Bauer zu
versuchen, wieder nach Hause geschickt. Efirnja konnte sich noch gut an
seinen enttäuschten Blick erinnern. Beeindruckt von seinem Mut
hatte sie ihm noch ein Silberstück in die Hand gedrückt, was
aber seine düstere Miene kaum aufzuhellen vermochte.
Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken, und kurz
darauf trat Xaver ein. Den Blick gesenkt, stellte er sich ihr
gegenüber. Offensichtlich erwartete er nichts Gutes von dem
anstehenden Gespräch. Efirnja musterte den Jungen. Er war nicht
mehr sehr viel gewachsen seit jenem Abend, aber er war um Einiges
stärker geworden. Der Flaum im Gesicht hatte sich zu einem
üppigen Bartwuchs entwickelt, den Xaver jedoch
regelmäßig rasierte.
Efirnja kannte die Leute im Dorf weit
besser, als es den meisten von ihnen bewusst war. Sie hielt es für
wichtig, mit den Leuten auf gutem Fuß zu stehen. Sie hatte
herausgefunden, dass die meisten Dörfler sogar die
Schutzgeldzahlungen als einen gerechten Handel empfanden, wenn man nett
zu ihnen war und ihnen das Gefühl gab, sie wirklich vor Gefahren
schützen zu wollen. Der Hauptmann hatte wenig Verständnis
hierfür, aber Efirnjas gutes Verhältnis zu Bauern und
Dörflern stellte sich immer wieder als vorteilhaft heraus. Und man
erfuhr auf diese Weise eine ganze Menge. So wusste Efirnja zum
Beispiel, dass Xavers Bruder Rerech inzwischen den Hof führte,
nachdem ihre Mutter im vorletzten Winter an der Keuche gestorben war.
Xaver selbst arbeitete auf dem Hof mit, galt jedoch unter den
Dörflern als unstet und faul.
„Der Hauptmann ist nicht besonders gut auf dich zu sprechen“, leitete
sie ein, während sie ihre Gedanken noch ordnete, und Xaver senkte
den Blick noch weiter.
„Es tut mir Leid, Hauptfrau“, sagte er schließlich mit wackeliger
Stimme.
„Du sollst mich nicht Hauptfrau nennen“, antwortete sie automatisch.
Sie wusste nicht, warum er sie immerzu so ansprach. Sie widersprach
nicht etwa, weil sie keine Hauptfrau war, sondern weil es ihr viel zu
gut gefiel, so genannt zu werden. Und es lenkte vom Problem ab.
Efirnja musste sich eingestehen, dass sie auch einen Teil der Schuld
trug. Sie hatte gewusst, dass er an diesem Morgen einen Einbruch wagen
würde, und sie hatte die Idee eigentlich ganz gut gefunden. Was
also sollte sie ihm vorwerfen? Eine andere Frage formte sich in ihrem
Kopf und huschte ihr über die Lippen.
„Was hast du dir eigentlich gestern dabei gedacht? Geht es eurem Hof
denn so schlecht, dass du dich als Räuber verdingen musst?“
Das war ungerecht, und Efirnja wusste es. Am Abend zuvor war sie sehr
erfreut über seine Hilfe gewesen. Ein Trupp eredischer Soldaten
hatte am Nachmittag unweit des Dorfes sein Lager aufgeschlagen. Wie in
solchen Fällen üblich hatte der Hauptmann ihnen Schutz und
sicheres Geleit gegen Bezahlung angeboten, doch hatten sie sein Angebot
jäh abgeschmettert. Wenig später hatten die Räuber ihr
Lager besucht und reiche Beute gemacht. Efirnja war jedoch bemerkt
worden, als sie versuchte, ein großes Bierfass davonzutragen, und
hatte fliehen müssen. In verletztem Stolz war sie abends allein
zurückgekehrt. Beim umschleichen des Lagers traf sie unvermittelt
auf Xaver, der im Gestrüpp saß und die Eredier beobachtete.
Sie erzählte ihm von dem Bierfass, woraufhin er eine Stelle an der
Rückwand des Zeltes erwähnte, über die es möglich
sein müsste, hinein zu gelangen. Efirnja sah ihre Gelegenheit
gekommen. Sie schlich mit Xaver gemeinsam an das Zelt heran.
Tatsächlich war einer der Erdnägel schlecht befestigt, so
dass man ihn herausziehen und sich unter der Zeltplane
durchzwängen konnte. Alleine hätte sie jedoch das Bierfass
kaum tragen können. Xaver schien dies zu wissen, denn ohne zu
fragen verschwand er unter der Zeltplane und kehrte wenig später
mit dem Bierfass zurück.
Gemeinsam hatten sie das Bierfass hierher, in das düstere
Hinterzimmer der Taverne gebracht. Xaver hatte dafür Lob und
Anerkennung bei den Räubern geerntet, und Efirnja erinnerte sich
noch gut an die strahlende Freude in seinen Augen.
„Ich möchte ein Räuber werden“, erwiderte er nun auf ihre
Frage, und in seiner Stimme klang bittere Enttäuschung mit.
Offenbar hatte er sich bereits als Mitglied der Gruppe betrachtet.
Eigentlich war er auch auf dem besten Weg dahin gewesen, das zu werden.
Doch dann waren einige der Räuber morgens auf dem Waldweg einer
Eredierin begegnet, die allein unterwegs war. Flugs hatte man sie
hinterrücks bewusstlos geschlagen, doch sie war eine Heilerin und
hatte keine Wertsachen dabei. Xaver schlug Efirnja vor, die Eredier
über ihre bewusstlose Gefährtin im Wald zu informieren, und
dann den Aufruhr im Lager zu nutzen. In der Tat reagierten die Eredier
auf die Nachricht, indem sie fast geschlossen loszogen. Die Stelle des
nächtlichen Einbruchs war offenbar unbemerkt geblieben, denn der
Erdnagel steckte immer noch nur lose in der Erde. Einige Zeit, nachdem
Xaver erneut unter der Plane verschwunden war, hörte Efirnja
jedoch einen überraschten Aufschrei und danach einen dumpfen
Schlag. Kurz darauf kam Xaver hastig unter der Plane hervorgekrabbelt,
die Augen vor Schreck geweitet. „Da war jemand…“ stammelte er. „Ich
habe ihn nicht gesehen… ich habe… ihn niedergeschlagen…“ Schnell hatten
sie die Flucht ergriffen.
Einige Stunden später hatte der Hauptmann Besuch vom Büttel
erhalten. Efirnja hatte dem Gespräch nicht beigewohnt, aber der
Stimmung des Hauptmanns nach zu urteilen musste er sich nun ernsthafte
Sorgen darum machen, den Schutz des Dorfschulzen zu verlieren. Die
Eredier waren eine Truppe von gut zwanzig Mann und für das Dorf
nicht ungefährlich. So war der Hauptmann zu ihr gekommen mit dem
Auftrag, dafür zu sorgen, dass der Junge nicht weiter stören
würde. Der Junge, der jetzt vor ihr stand und ein Räuber
werden wollte.
„Warum möchtest du ein Räuber werden?“ fragte sie. Sie sah
ihn prüfend an, aber er erwiderte ihren Blick nicht. Er schwieg.
Das hatte sie nicht anders erwartet. Dann jedoch hob er den Kopf:
„Und Ihr? Warum seid Ihr Räuberin geworden?“ Efirnja war
verblüfft. Da hatte es der Bengel doch tatsächlich geschafft,
den Spieß umzudrehen. Er musste wissen, dass sie auf die Frage
ebenso wenig eine einfache Antwort hatte wie er.
Warum war sie Räuberin geworden? Ihr fielen sofort all die Parolen
ein, die der Hauptmann immer so schnell auf der Zunge hatte, von wegen
Gerechtigkeit auf eigene Faust suchen und Reichtum von denen zu nehmen,
die ohnehin zu viel hatten. Aber das waren in der Tat nur Parolen. Ihre
Gedanken führten sie nun zurück in die Zeit, als sie selbst
um die Aufnahme in der Gruppe gekämpft hatte. Sie hatte damals
schon gewusst, dass sie das Leben als Bäuerin nie ausfüllen
würde. Ihre besten Aussichten waren damals, irgendwann einmal
verheiratet zu werden und Kinder zu haben. Um sie herum gaben sich die
Menschen mit diesem Schicksal zufrieden, aber sie war getrieben von
Fernweh, Abenteuerlust und einem Traum von persönlicher Freiheit.
Die Räuber hatten für sie diesen Traum verkörpert, denn
sie waren frei wie die Vögel und konnten tun und lassen, was sie
wollten. Ein zynisches Lächeln umspielte nun ihr Gesicht. Die
Schattenseiten des Räuberdaseins hatte sie erst später kennen
gelernt. Dass Abenteuer meistens Angst um den eigenen Kragen bedeutete,
zum Beispiel, und dass die Freiheit nur um den Preis einer
ständigen Flucht zu erkaufen war. Es gab kaum Orte, an denen man
sich als Räuber so sicher fühlen konnte wie hier in
Hargasrode. Verständlich also, dass der Hauptmann so außer
sich war.
Und nun war da Xaver mit seinen vielleicht achtzehn Sommern, der nichts
anderes wollte als das, was sie damals auch gewollt hatte, und der sie
so sehr an sich selbst erinnerte. Sie war beeindruckt von dem Mut, den
er gezeigt hatte. Aber das allein reichte nicht aus, um ein Räuber
zu sein. Man brauchte auch Verschlagenheit und eine gewisse
Gefühlskälte, um anderen Menschen vorsätzlich zu
schaden. Diese beiden Dinge hatte Efirnja mühsam erlernen
müssen, und sie konnte sie sich in Xaver nicht vorstellen. Er war
schlichtweg nicht zum Räuber geeignet.
Aber diese Stimme der Vernunft würde er nicht hören wollen.
Und wie sollte sie ihm auch glaubhaft erklären, dass er sich mit
seinem Schicksal als Bauer zufrieden geben sollte, wo sie so viel
Verständnis für sein Wesen hatte? Sie setzte zu einer Antwort
an, aber ein neuer Gedanke verschlug ihr die Stimme.
Warum war er eigentlich überhaupt noch hier? Wenn er mit seinem
Schicksal so unzufrieden war, warum suchte er sein Heil nicht anderswo
in der weiten Welt? Die Antwort kannte Efirnja nur zu gut, denn es war
die gleiche Antwort wie auf die Frage, warum sie damals nur zu den
Räubern im Nachbardorf gezogen war. Bei allem Fernweh war sie
ihrer Heimat stets verbunden. Bei aller Entschlossenheit hatte es ihr
an dem Mut gefehlt, den letzten, endgültigen Schritt aus dem Ort
der Kindheit heraus zu wagen. Das war ihr Fehler gewesen, und Xaver war
dabei, den gleichen Fehler zu begehen.
„Du musst von hier verschwinden“ sagte sie, während sich der Plan
in ihrem Kopf vollendete. Efirnja die Listenreiche wusste nun genau,
wie sie es anstellen würde. „Der Eredier, den du niedergeschlagen
hast, ist wenig später gestorben.“
Ein Ruck ging durch den Jungen. Angst und Reue hielten sichtbar
gleichzeitig Einzug. „Ich… ich habe nur ganz leicht… also, davon
könnte er nicht… das… das wollte ich nicht…“ stammelte er,
während alle Farbe aus seinem Gesicht fuhr.
„Wahrscheinlich war er schon vorher verwundet. Die Anstrengung war zu
viel für ihn“, fuhr Efirnja fort und bemühte sich dabei,
möglichst gleichgültig zu wirken. „Aber die Eredier behaupten
jetzt, dass du es warst. Sie werden dich suchen.“
„Was soll ich tun…?“
Xaver war offenbar vollständig verzweifelt. Diese Schuld, die es
nicht wirklich gab und die er nun mit sich trug, würde noch lange
auf ihm lasten. Efirnja hatte Mühe, weiter zu machen. Aber sie
musste es nun zu Ende führen, denn sie war überzeugt davon,
dass sie dem Jungen mehr half, als sie ihn verletzte.
„Lauf nach Radisrode. Dort kommt öfter fahrendes Volk vorbei als
hier. Tu, was du musst, damit sie dich mitnehmen.“
„Mein Bruder… meine Schwester…“
„Du wirst Abschied von ihnen nehmen müssen.“
Xaver nickte stumm. Efirnja wusste, dass er ihrem Rat folgen
würde. Es würde Tage dauern, vielleicht Wochen, ehe er ihn
hinterfragen würde. Aber unter dem Schmerz und der Verzweiflung,
die man ihm förmlich ansehen konnte, flackerte der Funke von
Entschlossenheit, auf den Efirnja gehofft hatte. Sie nahm seine Hand
und drückte ein Silberstück hinein. „Leb wohl, Xaver
Steinbeisz.“ Dann ließ sie seine Hand los. Er drehte sich um und
schritt zur Tür. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um.
„Danke, Hauptfrau.“ Dann verschwand er.
II.)
Fiona
brauchte einen Moment, um zu begreifen, wovon sie wach geworden war.
Dann hörte sie erneut Rerechs Stimme. Er klang wütend,
bemühte sich aber scheinbar darum, nicht zu laut zu werden. Sie
hörte auch Xavers Stimme, und die klang irgendwie merkwürdig.
Fiona wusste nicht warum, aber es beunruhigte sie. Sie konnte hier in
ihrer Bettstatt nicht verstehen, worüber sich die beiden
unterhielten. Leise schlich sie aus ihrem Bett und krabbelte an die
Kante des Dachbodens. Von hier aus konnte sie in die Stube sehen. Ihre
beiden Brüder saßen dort: Der, der ein Mann geworden war,
und der, der keiner werden wollte, wie Frau Almut von nebenan immer
sagte. Dabei fand Fiona das eigentlich ganz gut so. Rerech war viel
ernster geworden, nachdem erst Vater und später auch Mutter
gestorben waren. Er kümmerte sich um den Hof und alles, aber er
war kaum noch zu Späßen aufgelegt, geschweige denn zum
Spielen. Immer hatte er viel zu tun, und wenn er mal nichts zu tun
hatte, dann musste er sich ausruhen. Xaver hingegen hatte viel Zeit
für sie. Sie gingen dann oft zusammen zum Bach, um
Holzstücke, die er zu kleinen Schiffen schnitzte, fahren zu
lassen. Manchmal versteckten sie sich auch im Schuppen, und Xaver
erzählte ihr unglaubliche Geschichten von fernen Ländern, die
er von Reisenden in der Taverne gehört hatte. Rerech mochte solche
Geschichten nicht. Er sagte, man müsse sich um das Land
kümmern, das man vor den Füßen hatte, und nicht um das,
was hinter den Bergen lag. Aber Xaver und sie wollten gerne wissen, ob
das Land hinter den Bergen auch so war wie hier.
„Und wo wirst du nun hingehen?“ fragte Rerech gerade, als Fiona
auffiel, dass neben Xaver ein Beutel stand, den er wohl recht hastig
gepackt hatte. Sie blickte nach hinten zu seinem Bett und sah, dass
jemand in seiner Truhe gewühlt hatte. Einige Dinge, die er
offenbar nicht einpacken wollte, lagen verstreut.
„Ich werde nach Radisrode gehen. Dort führt eine Straße
durch, die oft von Händlern genutzt wird. Vielleicht kann ich bei
einem von ihnen als Lehrling anheuern.“
Für Fiona brach eine Welt zusammen. Wie konnte Xaver ihr das
antun, einfach ohne sie loszuziehen? Warum hatte er ihr nicht einmal
davon erzählt? Und warum klang er zu allem Überfluss noch so,
als würde er sich nicht einmal darüber freuen? Wut brodelte
in ihrem Bauch, und Tränen liefen ihr über die Wangen.
Das würde Rerech sowieso nicht zulassen. Ständig schimpfte er
mit Xaver, dass er seine Träumereien lassen und seine Arbeit
verrichten solle. Niemals würde er dulden, dass Xaver davonzog.
Aber zu Fionas großer Überraschung sagte Rerech nichts.
Stattdessen stand er auf und verschwand in dem Zimmer, das einst die
Schlafkammer ihrer Eltern gewesen war. Nach einer Weile kehrte er mit
einem Schwert zurück. Es musste schon ziemlich alt sein, denn es
war rostig.
„Hier“ sagte Rerech. „Das hat Vater gehört. Ich habe es kurz vor
seinem Tod bekommen. Er hat es nie gebraucht, aber es war ein
Erbstück von Großvater.“ Er überreichte das Schwert an
Xaver, der es ungläubig betrachtete. „Man sieht ihm an, dass wir
hier lange keinen Krieg mehr gehabt haben“ fuhr Rerech fort, „und
deshalb glaube ich auch kaum, dass ich es jemals brauchen werde. Nimm
es mit. Du findest bestimmt jemanden, der es wieder auf Vordermann
bringen kann. Vielleicht lernst du ja sogar, damit umzugehen.“
Rerech und Xaver umarmten sich. Das hatte Fiona lange nicht gesehen.
Nun verlor sie auch die letzte Hoffnung, dass Rerech Xaver aufhalten
würde. Tränen tropften auf den Boden, als sie zurück in
ihr Bett schlich. Tränen strömten noch immer, als sie wenig
später Xavers Schritte auf der Leiter hörte. In ihrem Innern
tobte es. Sie wollte Xaver anschreien, ihn fragen, was ihm denn
einfiele, ihm befehlen, bei ihr zu bleiben. Aber stattdessen
unterdrückte sie das Zittern, drehte sich mit dem Gesicht zur Wand
und tat, als würde sie schlafen. Sie spürte, wie Xaver sich
an ihre Bettkante setzte und ihr mit der Hand zärtlich über
das Haar fuhr. Sie merkte, dass er etwas in ihre Hand legte, das sich
wie ein Holzschiffchen anfühlte.
Dann stand er auf und ging.
|