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Mondfinsternis


Am Abend,
nachdem die Sonne sich zurückzieht
Ende, Dunkelheit, Stille:
die Nacht.
Und doch ist sie voller Leben.
Anderes Leben als am Tag: dunkler, geheimnisvoller:
nächtlich.
Am Horizont ein Lichtstreifen -- der Mond.
Er tritt auf. Rund. Leuchtend.
Sauberes Licht. Etwas gelb. Etwas weiß.
Schönes Licht.
Licht, das nicht blendet, aber die Dinge erkennen lässt.
Er lässt sich direkt ins Antlitz schauen.
Er trägt die Narben der Zeit. Er ist alt.
Er schenkt uns fremdes Licht. Licht der Gegenwart.
Schönes Licht.
Er steigt auf. Dünne Wolken kreuzen seinen Weg.
Er verzaubert auch sie.
Er erreicht seinen höchsten Punkt -- dann erscheint SIE.
Der volle Mond. Oval. Halbmond. Eine Sichel, ein Faden, ein Nichts.
Er ist verschwunden.
Ende, Dunkelheit, Stille:
die Nacht.
Und doch funkeln überall unüberhörbar unzählige Sterne.
Im Takt des Herzklopfens.
Erwartung.
Er muss wieder erscheinen, dort, wo er verschwunden ist.
Angst. -- Und dann:
Ein Nichts, ein Faden, eine Sichel. Halbmond. Oval. Der volle Mond.
Er leuchtet wieder. Voll. Rein. Unantastbar.
Schön.
Besonnen zieht er seine Bahn
hinunter zum Horizont.
Schließlich begrüßt er das Ende der Welt und sinkt dahinter. Danach:
Ende, Dunkelheit, Stille:
die Nacht.
Nur noch für eine Weile. Die Sonne naht.
Aber der Mond hat seinen Auftritt beendet.
Für heute.
Und morgen wird er wiederkehren.



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